Cashflow-Analyse als Frühwarnsystem für Unternehmenskrisen
Wie verdeckte Liquiditätsprobleme rechtzeitig erkannt werden können, bevor sie zur existenziellen Bedrohung werden

Warum profitable Firmen trotzdem scheitern können
Viele Unternehmen zeigen auf dem Papier schwarze Zahlen, während die Konten gleichzeitig leergeräumt werden. Ich hab das mehrmals gesehen – Betriebe mit ordentlichen Umsätzen, die plötzlich Gehälter nicht mehr zahlen konnten.
Der Grund liegt oft in der Verwechslung zwischen Gewinn und verfügbarem Geld. Während Rechnungen gestellt werden und im System als Umsatz auftauchen, bleiben Zahlungseingänge aus oder verzögern sich massiv. Gleichzeitig müssen Lieferanten, Mieten und Löhne pünktlich bezahlt werden.
Eine detaillierte Cashflow-Analyse zeigt genau diese Diskrepanzen auf. Sie macht sichtbar, wann Geld tatsächlich fließt – nicht nur, wann es theoretisch fällig wird.
Operativer Cashflow
Zeigt den Geldfluss aus dem laufenden Geschäft. Wenn dieser dauerhaft negativ ist, stimmt etwas mit dem Geschäftsmodell nicht.
Investitions-Cashflow
Dokumentiert Ausgaben für langfristige Vermögenswerte. Hier wird ersichtlich, ob Wachstum nachhaltig finanziert wird.
Finanzierungs-Cashflow
Gibt Auskunft über Fremdkapital und Eigenkapitalveränderungen. Kritisch wird es bei dauerhafter Abhängigkeit von neuen Krediten.

Tillmann Borgwardt
Finanzanalyst seit 2019
„Die meisten Firmenzusammenbrüche kündigen sich Monate vorher an – wenn man genau hinschaut. Problem ist nur, dass viele Controller ausschließlich auf Bilanzen starren."
Was Tillmann hier beschreibt, hab ich selbst erlebt. Bei einem Maschinenbauunternehmen in Sachsen zeigte die Gewinn-und-Verlust-Rechnung über drei Quartale hinweg solide Ergebnisse. Gleichzeitig sank die Liquiditätsreserve kontinuierlich von 180.000 auf unter 20.000 Euro.
Grund war eine veränderte Zahlungsmoral der Hauptkunden kombiniert mit teuren Vorleistungen für Rohmaterial. Die Cashflow-Rechnung hätte das sofort gezeigt – wurde aber nur quartalsweise erstellt und kaum analysiert.
Tillmann entwickelte damals ein wöchentliches Monitoring-System, das Zahlungseingänge gegen Verbindlichkeiten abglich. Das verschaffte dem Management sechs Wochen Vorwarnzeit, um Gegenmaßnahmen einzuleiten – statt erst bei akuter Zahlungsunfähigkeit zu reagieren.
Heute arbeitet er mit kleinen und mittleren Unternehmen daran, ähnliche Frühwarnsysteme zu etablieren. Die Methodik funktioniert branchenübergreifend, muss aber individuell angepasst werden.
Praktische Ansätze für bessere Liquiditätskontrolle
Es geht nicht um komplizierte Formeln oder teure Software. Die folgenden Methoden lassen sich mit Standardwerkzeugen umsetzen und liefern schnell verwertbare Erkenntnisse.
Rollende 13-Wochen-Prognose
Erstelle wöchentlich eine aktualisierte Cashflow-Prognose für die kommenden 13 Wochen. Trage bekannte Zahlungseingänge und -ausgänge ein, markiere unsichere Positionen farblich. Das gibt dir einen realistischen Blick auf kommende Engpässe, bevor sie eintreten. Die Methode funktioniert am besten mit einem einfachen Tabellenkalkulationsblatt, das du jeden Montag aktualisierst.
Debitorenlaufzeit-Analyse
Berechne regelmäßig, wie lange Kunden durchschnittlich brauchen, um Rechnungen zu begleichen. Nicht das Zahlungsziel ist relevant, sondern die tatsächliche Zahlungsdauer. Wenn diese stetig steigt, deutet das auf Probleme hin – entweder bei deinen Kunden oder in deinem Mahnwesen. Kategorisiere Kunden nach Zahlungsverhalten und passe Kreditlimits entsprechend an.
Working Capital Monitoring
Das Working Capital zeigt, wie viel Kapital im operativen Geschäft gebunden ist. Wenn Lagerbestände und Forderungen schneller wachsen als Umsatz und Verbindlichkeiten, wird Liquidität gebunden. Überwache monatlich die Entwicklung von Vorräten, Forderungen und kurzfristigen Verbindlichkeiten. Eine Verschlechterung des Working Capital ist oft ein erstes Warnsignal.
Szenario-Planung mit Stresstests
Spiel verschiedene Szenarien durch: Was passiert, wenn ein Großkunde ausfällt? Wenn Lieferanten Vorkasse verlangen? Wenn eine wichtige Maschine ersetzt werden muss? Durch solche Stresstests erkennst du Verwundbarkeiten in deiner Liquiditätsstruktur frühzeitig. Das hilft auch bei Kreditverhandlungen, weil du Banken realistische Puffer vorrechnen kannst.
Vertiefung in unserem Finanzanalyse-Programm
Wenn du systematisch lernen möchtest, wie Cashflow-Analysen praktisch durchgeführt werden, bieten wir ab September 2025 ein sechsmonatiges Intensivprogramm an. Schwerpunkt liegt auf realen Fallstudien und anwendbaren Werkzeugen.
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Typische Fehler bei der Cashflow-Interpretation
Einer der häufigsten Fehler ist das isolierte Betrachten von Monats-Cashflows. Ein einzelner negativer Monat sagt wenig aus – entscheidend ist der Trend über mehrere Perioden hinweg.
Ebenso problematisch: Einmalige Sondereffekte werden nicht bereinigt. Wenn im März eine Steuerrückerstattung eingeht oder eine große Investition getätigt wird, verzerrt das die Kennzahlen massiv. Solche Ausreißer müssen separat betrachtet werden, um das zugrundeliegende operative Muster zu erkennen.
Ein weiterer Punkt ist die Vernachlässigung saisonaler Schwankungen. Viele Branchen haben zyklische Cashflow-Muster – Bauwirtschaft im Winter, Einzelhandel vor Weihnachten, Tourismus im Sommer. Diese natürlichen Zyklen müssen in die Planung einbezogen werden, sonst entsteht unnötige Panik oder falsches Sicherheitsgefühl.
